Erfahrungskurve in BWL leicht erklärt – Berechnung, Beispiele

I. Einleitung

Die Erfahrungskurve ist ein wichtiger Bestandteil der Betriebswirtschaftslehre (BWL), der von Unternehmen genutzt wird, um Kosten zu senken, Wettbewerbsvorteile zu erlangen und die Produktivität zu steigern. Das Konzept basiert auf der Annahme, dass sich die Kosten für die Produktion eines Produkts oder einer Dienstleistung mit zunehmender Erfahrung und wiederholter Produktion reduzieren. Mit anderen Worten: Je öfter ein Unternehmen ein bestimmtes Produkt herstellt oder eine bestimmte Dienstleistung erbringt, desto besser wird es darin und desto effizienter wird die Produktion.

In diesem Artikel werden wir das Konzept der Erfahrungskurve näher erläutern und erklären, wie sie berechnet wird. Darüber hinaus werden wir einige Anwendungen der Erfahrungskurve in der BWL betrachten, sowie Kritikpunkte und Alternativen zum Konzept diskutieren.

II. Was ist die Erfahrungskurve?

Die Erfahrungskurve ist ein Konzept, das den Zusammenhang zwischen der Anzahl der produzierten Einheiten und den durchschnittlichen Herstellungskosten beschreibt. Es geht davon aus, dass die Herstellungskosten eines Produkts oder einer Dienstleistung mit jeder Verdopplung der kumulativen Produktion um eine bestimmte Prozentzahl reduziert werden können. Diese Reduktion der Kosten wird als „Lernkurve“ bezeichnet.

Ursprung und Entstehungsgeschichte Das Konzept der Erfahrungskurve wurde erstmals in den 1920er Jahren von Theodore Paul Wright entwickelt, der es zur Analyse der Produktionskosten von Flugzeugen während des Ersten Weltkriegs einsetzte. In den 1960er Jahren wurde das Konzept von Bruce D. Henderson, dem Gründer der Unternehmensberatungsfirma Boston Consulting Group (BCG), populär gemacht und in der BWL weit verbreitet.

Zusammenhang mit dem Lernkurvenkonzept Die Erfahrungskurve steht in engem Zusammenhang mit dem Lernkurvenkonzept, das besagt, dass die benötigte Arbeitszeit pro Einheit mit jeder Verdopplung der kumulativen Produktion um eine bestimmte Prozentzahl reduziert werden kann. Das Lernkurvenkonzept und die Erfahrungskurve sind eng miteinander verbunden, da die Lernkurve dazu beiträgt, die Effekte der Erfahrungskurve zu erklären.

Insgesamt ist die Erfahrungskurve ein wichtiges Konzept in der BWL, das Unternehmen dabei unterstützen kann, ihre Kosten zu senken, Wettbewerbsvorteile zu erlangen und die Produktivität zu steigern. In den nächsten Abschnitten werden wir uns näher mit der Berechnung der Erfahrungskurve sowie ihren Anwendungen und Grenzen beschäftigen.

III. Berechnung der Erfahrungskurve

Die Erfahrungskurve lässt sich mithilfe einer mathematischen Formel berechnen. Die Formel beschreibt den Zusammenhang zwischen den kumulativen Herstellungskosten und der produzierten Stückzahl.

Formel zur Berechnung der Erfahrungskurve Die allgemeine Formel zur Berechnung der Erfahrungskurve lautet:

Kosten = a * x^-b

Dabei steht „Kosten“ für die durchschnittlichen Herstellungskosten pro Einheit, „x“ für die kumulative Anzahl der produzierten Einheiten und „a“ und „b“ für Konstanten, die spezifisch für ein bestimmtes Produkt und eine bestimmte Produktionseinheit sind. „a“ steht für die anfänglichen Kosten, die bei der Produktion der ersten Einheit anfallen, während „b“ die Lernrate darstellt, also den Prozentsatz, um den sich die kumulativen Kosten pro Verdopplung der kumulativen Produktion reduzieren.

Erklärung der einzelnen Variablen Um die Erfahrungskurve zu berechnen, müssen Sie zunächst die Werte für „a“ und „b“ bestimmen. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen, z.B. durch Regression oder durch Beobachtung der tatsächlichen Produktion.

Sobald Sie die Werte für „a“ und „b“ haben, können Sie die Kosten für jede kumulative Einheit berechnen, indem Sie die Formel für „Kosten“ verwenden und den Wert für „x“ (d.h. die Anzahl der produzierten Einheiten) einsetzen.

Beispiele zur Veranschaulichung der Berechnung Um die Berechnung der Erfahrungskurve zu veranschaulichen, hier einige Beispiele:

Beispiel 1: Angenommen, ein Unternehmen stellt Autos her und hat festgestellt, dass sich die kumulativen Herstellungskosten pro Einheit um 20% reduzieren, wenn sich die kumulative Produktion verdoppelt. Die Kosten für die erste produzierte Einheit betragen 10.000 Euro. Bestimmen Sie die Kosten für die 100. Einheit.

Lösung: a = 10.000, b = 0,301 (da 20% Reduktion einer Verdopplung entspricht). Kosten = 10.000 * 100^-0,301 = 5.247,77 Euro.

Beispiel 2: Angenommen, ein Unternehmen stellt Computer her und hat festgestellt, dass sich die kumulativen Herstellungskosten pro Einheit um 10% reduzieren, wenn sich die kumulative Produktion verdoppelt. Die Kosten für die erste produzierte Einheit betragen 1.000 Euro. Bestimmen Sie die Kosten für die 1.000. Einheit.

Lösung: a = 1.000, b = 0,152 (da 10% Reduktion einer Verdopplung entspricht). Kosten = 1.000 * 1.000^-0,152 = 563,55 Euro.

Die Berechnung der Erfahrungskurve kann Unternehmen dabei helfen, die Herstellungskosten ihrer Produkte zu senken und ihre Effizienz zu steigern. In den nächsten Abschnitten werden wir uns mit einigen Anwendungen der Erfahrungskurve in der BWL beschäftigen und auch auf einige Kritikpunkte und Alternativen eingehen.

IV. Anwendungen der Erfahrungskurve in der BWL

Die Erfahrungskurve kann in verschiedenen Bereichen der BWL angewendet werden. Hier sind einige Anwendungen:

Kostenreduktion durch Erfahrungskurve Die Erfahrungskurve kann Unternehmen helfen, ihre Herstellungskosten zu senken, indem sie durch das Sammeln von Erfahrung und Wissen in der Produktion effizienter werden. Durch die Senkung der Herstellungskosten können Unternehmen ihre Preise senken oder ihre Gewinnmargen erhöhen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann.

Auswirkungen auf Preisgestaltung und Wettbewerbsfähigkeit Durch die Anwendung der Erfahrungskurve können Unternehmen ihre Herstellungskosten senken und dadurch ihre Preise senken oder ihre Gewinnmargen erhöhen. Dadurch können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern und gegenüber Wettbewerbern, die höhere Herstellungskosten haben, besser positionieren.

Verwendung in der Produktionsplanung und -steuerung Die Erfahrungskurve kann auch bei der Produktionsplanung und -steuerung eingesetzt werden. Indem Unternehmen die erwarteten Reduktionen der Herstellungskosten im Voraus berechnen, können sie ihre Produktionsplanung optimieren und ihre Kapazitätsplanung verbessern.

Insgesamt bietet die Erfahrungskurve Unternehmen in der BWL eine wertvolle Methode, um ihre Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Allerdings gibt es auch einige Kritikpunkte und Einschränkungen, die im nächsten Abschnitt diskutiert werden.

V. Kritikpunkte an der Erfahrungskurve

Obwohl die Erfahrungskurve ein wichtiges Konzept in der BWL ist, gibt es auch einige Kritikpunkte und Einschränkungen, die beachtet werden müssen. Hier sind einige der wichtigsten Kritikpunkte:

Grenzen und Einschränkungen des Konzepts Die Erfahrungskurve basiert auf der Annahme, dass die Produktion eines Produkts oder einer Dienstleistung standardisiert und routinemäßig ist. In vielen Branchen ist dies jedoch nicht der Fall, da Produkte oder Dienstleistungen oft komplexer oder kundenspezifischer sind. In solchen Fällen kann die Anwendung der Erfahrungskurve begrenzt sein.

Verzerrung durch externe Faktoren Die Erfahrungskurve geht davon aus, dass die kumulativen Kosten aufgrund der Erfahrung und des Lernens des Unternehmens sinken. Es ist jedoch möglich, dass externe Faktoren wie steigende Rohstoffpreise oder Änderungen in der Marktnachfrage die kumulativen Kosten beeinflussen und somit die Erfahrungskurve verzerren.

Nichtberücksichtigung von Qualität und Innovation Die Erfahrungskurve konzentriert sich ausschließlich auf die Herstellungskosten und berücksichtigt nicht die Qualität des Produkts oder die Innovation. Unternehmen können sich auf die Kostenreduzierung durch die Erfahrungskurve konzentrieren, während die Qualität des Produkts oder die Innovation vernachlässigt werden.

Alternativen zur Erfahrungskurve Es gibt auch alternative Konzepte und Modelle, die Unternehmen verwenden können, um ihre Produktionsprozesse zu optimieren und ihre Kosten zu senken. Ein Beispiel ist das Konzept der Prozessoptimierung, bei dem Unternehmen ihre Produktionsprozesse analysieren und verbessern, um ihre Effizienz zu steigern.

Insgesamt zeigt die Kritik an der Erfahrungskurve, dass das Konzept nicht für alle Branchen und Unternehmen geeignet ist. Unternehmen sollten daher bei der Anwendung der Erfahrungskurve vorsichtig sein und alternative Konzepte und Modelle in Betracht ziehen.

VI. Fazit

Die Erfahrungskurve ist ein wichtiges Konzept in der BWL, das Unternehmen dabei helfen kann, ihre Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Durch die Sammlung von Erfahrung und Wissen in der Produktion können Unternehmen ihre Herstellungskosten senken und dadurch ihre Preise senken oder ihre Gewinnmargen erhöhen.

Allerdings gibt es auch Kritikpunkte und Einschränkungen bei der Anwendung der Erfahrungskurve, insbesondere in Bezug auf die Komplexität von Produkten und Dienstleistungen sowie auf externe Faktoren wie steigende Rohstoffpreise oder Veränderungen der Marktnachfrage.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Erfahrungskurve nicht das einzige Konzept ist, das Unternehmen bei der Optimierung ihrer Produktionsprozesse und der Senkung ihrer Kosten nutzen können. Unternehmen sollten auch alternative Konzepte wie die Prozessoptimierung in Betracht ziehen.

Insgesamt bietet die Erfahrungskurve Unternehmen jedoch eine wertvolle Methode, um ihre Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Durch die Anwendung der Erfahrungskurve können Unternehmen ihre Herstellungskosten senken und sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen verschaffen.

Quellen & weiterführende Informationen

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