Sie fahren jeden Morgen auf dem Weg zur Schule oder Arbeit an grellen Graffiti-Schmierereien vorbei und haben sich schon oft gefragt, was die dort gemalte Zeichenfolge „161“ überhaupt bedeutet?
Kurz gefasst steht 161 für die jeweiligen Buchstaben im Alphabet. Die Nummer 1 repräsentiert also den Buchstaben A, die 6 ist das Äquivalent für den Buchstaben F. Mit diesem Wissen lässt sich 161 ganz einfach übersetzen in „AFA“. AFA ist wiederum die Abkürzung für „Antifaschistische Aktion“, auch Antifa genannt.
Der Name taucht ständig in den Medien auf, es folgen Fotos von schwarz gekleideten und mit Halstüchern vermummten Menschen, die mal Steine werfend, mal friedlich vereint, auf einer Demonstration zu sehen sind. Sie tragen schwarze Pullover mit zwei Fahnen in einem Kreis, das Antifa-Logo, und auch die Zahl 161 ist immer mal wieder zu sehen.
Die Antifa ist keine Organisation
Die eine „Antifa“ gibt es nicht. Unter diesem Begriff definiert der wissenschaftliche Dienst des Bundestages unabhängige, in der Regel lose strukturierte autonome Strömungen der linken und linksextremen Szene. Es gibt also keinen Kern, der etwas vorgibt, nur eine lose Vernetzung.
Diese haben sich nach eigenem Selbstverständnis dem Kampf gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus, völkischen Nationalismus und rechtsgerichteten Geschichtsrevisionismus verschrieben.
Häufig sind diese Gruppen stark sub- und jugendkulturell geprägt. Laut dem Soziologen Nils Schuhmacher seien die meisten Akteure Jugendliche und junge Erwachsene. Sie verfassen Flugblätter, organisieren Demonstrationen oder Kundgebungen und reagieren auf das Auftreten politischer Gegner.
Was unterscheidet die verschiedenen Antifa-Gruppen?
Antifa-Aktivistin Mirja Keller bezeichnet die Antifa in einem Interview als eine „heterogene Bewegung mit ganz unterschiedlichen lokalen Voraussetzungen.“, die zum Beispiel von der Ortsgröße oder von der Größe und Bedeutung der Neonaziszene vor Ort beeinflusst sind.
Auch die unterschiedlichen Orientierungen innerhalb der Antifa erschweren die einheitliche politische Einordnung: Es gibt in der Antifa Strömungen aus dem linken, linksradikalen oder kommunistischen Lager. Es gibt sogar eine christlich-pazifistische Strömung.
Trotz dieser Unterschiede hat sich eine Bewegung entwickelt, die mehr verbindet als zwei wehende Fahnen.
„Die Form der Organisierung, das positive Verhältnis zu Militanz oder die kritische Haltung gegenüber Staat und Kapitalismus deuten auf Gemeinsamkeiten hin, die von einer Bewegung sprechen lassen“, so Keller.
Ist die Antifa nun harmlos oder verfassungsfeindlich?
Laut der Tageszeitung „Die Welt“ wurden im Juni 2020 mindestens 47 Antifa-Gruppen vom Verfassungsschutz beobachtet und als „extremistisch“ eingestuft, manche Politiker fordern ein staatliches Verbot oder zumindest eine stärkere Beobachtung durch den Verfassungsschutz.
Im Gegensatz dazu wird die Antifa von vielen toleriert, wenn nicht sogar geschätzt.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nahm die Antifa einst in Schutz. „Für mich ist die Antifa nicht per se eine linksextremistische Organisation“, sagte sie in einem ARD-Interview. Allerdings distanziere sie sich von Gewalt, auch von linker, denn Gewalt sei kein Mittel der Politik.
„Der Kern antifaschistischer Praxis ist eine Idee der Selbsthilfe, also die Vorstellung, nicht zu appellieren an andere, sondern sich zu Wehr zu setzen, sich im Namen anderer zu engagieren“, so Schuhmacher. Das könne dann auch die Überschreitung bestimmter rechtlicher Grenzen sein.
Klar ist: Die Antifa polarisiert und eine neutrale Einordnung scheint schwer. Wer die Antifa ablehnt, meint häufig: „gewalttätigen Linksextremismus“. Wer sich hingegen positiv auf das Wort bezieht, meint oft ein „notwendiges zivilgesellschaftliches Engagement gegen extreme Rechte“.
Was sagt der Verfassungsschutz?
In ihrem Engagement gegen rechts spielt Gewaltakzeptanz und Gewaltbereitschaft zumindest für einen Teil der autonomen Antifa eine große Rolle. Ihr Infragestellen der staatlichen Gewalt und die Verbindung von Antifaschismus mit Antikapitalismus führen allerdings dazu, dass Teile der Szene vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz gab an, dass auch Demokraten den Begriff „Antifaschismus“ nutzen, um ihre Ablehnung gegen Rechtsextremismus zum Ausdruck zu bringen. Von daher sei nicht jede antifaschistische Gruppe automatisch ein Fall für den Verfassungsschutz, „ist doch im Gegenteil jeder Demokrat automatisch auch gegen Faschismus“.
Bezogen auf das mögliche Verbot der Antifa kam der Bundestag zum Schluss, „dass aufgrund des Fehlens klarer organisatorischer Strukturen, eine Bewertung, ob es sich hierbei um terroristische Vereinigungen handelt (…) nur im Einzelfall erfolgen könne.“
Hat dir der Beitrag gefallen?

Hat Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel studiert.
Einzelunternehmer seit Mai 2006 & Chefredakteur von Uni-24.de
Geschäftsführer der Immocado UG (haftungsbeschränkt)